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Prof. Dr. Helmut Reichling  zu Themen von gestern, heute und morgen
aktualisiert am: 13.02.2016

 

 

 

Vom Schiffsjungen zum weltgrößten Spielzeugproduzenten.
Die wahre Geschichte des Weihnachtsmanns
von Prof. Dr. Helmut Reichling, Zweibrücken, Weihnachten 2012

Die Existenz von Nikolaus dem Bischof von Myra gilt in der Wissenschaft als historisch gesichert. Gleichwohl ranken sich viele Legenden und fromme Erzählungen um die Lebensgeschichte dieses volkstümlichen Heiligen.

Meistens wird die hellenistische Stadt Patara in der heutigen Türkei als der Ort genannt an dem er um das Jahr 270 das Licht der Welt erblickte. Aber auch die griechische Stadt Patras wird von einigen Autoren als seine ursprüngliche Heimat angegeben.
Als Sohn einer angesehenen und wohlhabenden Kaufmannsfamilie, die als Reeder über eigene Schiffe verfügte, folgte Nikolaus der Tradition seiner Vorfahren und begann seine berufliche Laufbahn als Seemann. Dank seines Wagemutes, seiner Intelligenz und auch aufgrund der Fähigkeit, Menschen zu motivieren, soll er schon in jungen Jahren Kapitän eines eigenen Schiffes gewesen sein

 

 

 

 

rWährend der blutigen Christenverfolgung im Osten des römisches Reiches wurde das Amt des Bischofs der Stadt Myra (heute der Ort Demre in der Türkei) vakant. Da sich niemand auf diese lebensgefährliche Stelle wagen wollte, wählten die Christen der Region den unerschrockenen Nikolaus um das Jahr 310 zu ihrem Bischof. Obwohl er kurz nach seiner Ernennung gefangen genommen und gefoltert wurde, blieb er standhaft und verteidigte seinen Glauben.
Belegt ist seine Teilnahme am Konzil in Nicäa im Jahr 325 unter der Leitung des Kaisers Konstantin, der das Christentum im römischen Reich zuließ und selbst Christ wurde. Bischof Nikolaus war einer der Unterzeichner der Konzil-Protokolle.

Als kirchlicher Würdenträger verteilte Nikolaus sein erworbenes und ererbtes Vermögen unter die Armen. Über sein Leben wurden schon bald nach seinem Tod am 6. Dezember 365 zahlreiche Legenden erzählt, die wohl alle irgendwie einen wahren Kern haben. Am bekanntesten ist die Erzählung, dass er drei jungen Mädchen, die ihr mittelloser Vater in ein Bordell schicken wollte, damit sie sich dort ihre Mitgift verdienten, in der Nacht jeweils einen Apfel aus Gold durchs Fenster warf, damit sie anständig heiraten konnten und vor diesem bejammernswerten Schicksal bewahrt blieben. So wurde der historische Nikolaus die Gestalt, die des nachts die Kinder mit Gaben beschenkt. Eine andere Geschichte berichtet, der Heilige habe drei Schüler, die von einem habgierigen Gastwirt ausgeraubt, getötet und schließlich auch noch eingepökelt worden seien, wieder zum Leben erweckt. Damit wurde Nikolaus zum Schutzpatron der Kinder und der Schüler.

Bekannt ist auch die Legende, dass der Bischof während einer Hungersnot auf eigene Kosten Schiffe ausrüstete, die Getreide aus fernen Ländern herbeischaffen sollten. Als die Schiffe schon in Sichtweite der Küste waren, brach ein Sturm los, der jedoch von Nikolaus durch sein Gebet gebändigt wurde und alle Schiffe sicher in den Hafen kamen.
Demzufolge verbreiteten schon bald die Seeleute auf allen Weltmeeren die Geschichte, dass ihnen mitten im Sturm, als sie sich und das Schiff schon aufgeben wollten und in ihrer Not den heiligen Nikolaus um Hilfe anriefen, ein kräftiger Mann mit weißem Bart erschien, der wortlos das Steuerrad übernahm und das Schiff sicher durch den Sturm navigierte. Sobald das Schiff in Sicherheit war, verschwand der Fremde so plötzlich wie er erschienen ist. Deshalb wurde der heilige Nikolaus nicht nur der Schutzpatron der Kinder, sondern auch der Schutzpatron der Seeleute.
Bemerkenswert ist jedoch eine Geschichte über den heiligen Seemann und Bischof, die wie wir im folgenden sehen werden, auch für uns heute noch eine besondere Bedeutung hat:
Nikolaus soll dieser Legende nach, einen Teufel gebannt haben, der ihm daraufhin dienen musste. Ich vermute hinter dieser Geschichte steckt eine wahre Begebenheit.
Nikolaus von Myra ist nicht der einzige Heilige von dem berichtet wird, dass der einen gezähmten Teufel zum Diener hatte. Auch der heilige Wolfgang, der etwa 600 Jahre nach Nicolaus lebte, soll einen solchen schwarzen Gesellen in seinen Diensten gehabt haben.
 In der damaligen Zeit, als die Welt noch groß und Menschen anderer Rassen fremd und bedrohlich wirkten, galt manch armer Zeitgenosse aus fernen Ländern schnell als „Teufel“.

So mag der Diener des heiligen Wolfgangs ein Nachfahre der Hunnen gewesen sein und St. Nikolaus Teufel ein schwarz-afrikanischer Schiffsjunge, den er als Kapitän an Bord hatte und später als Bischof zu seinem Hausdiener beförderte. Zweifellos sahen die Bewohner von Myra in der schwarzen Gestalt, die ihren Bischof begleitete einen dienstbaren Teufel.
So entstand das Bild vom hl. Nikolaus mit dem Teufel an seiner Seite.

Im 11. Jahrhundert wurdedie Verehrung des Schutzpatrons der Kinder in Mitteleuropa immer beliebter und die Bevölkerung  begann, am 6. Dezember dem Namenstag des heiligen Nikolaus die Sprösslinge zu beschenken. Bei Einbruch der Dunkelheit trat der Nikolaus mit seinem finsteren Begleiter in die Häuser. Die Rollenverteilung passte pädagogisch sehr gut: Da gab es zum einen den guten Nikolaus, der die braven Kinder beschenkt und den bösen „Knecht Ruprecht“, der mit Sack und Rute den Unartigen droht.

In manchen katholischen Gegenden des Alpenlandes wird dieser Knecht Ruprecht oft auch mit Teufelsmaske dargestellt.
Aus der Überlieferung der „Perchten“, heidnischen Winterdämonen mit Bockshörnern soll auch der Name Ruprecht für den Knecht des Nikolaus abgeleitet sein.

Als im Zuge der Reformation, insbesondere in der protestantischen pfälzischen Gegend, die Heiligenverehrung als unpassend empfunden wurde, man aber nicht auf die gewohnte Bescherung der Kinder verzichten wollte, kam der hl. Bischof nicht mehr in vollem Ornat in die Stube, sondern nur noch sein treuer Geselle, dem man in der Pfalz bald den Namen „Belzenickel“ gab. In dieser Figur, die nun mit Pelzmantel, Kapuze oder Zipfelmütze in schweren Stiefeln und mit weißem Bart in die Kinderzimmer stapft, sind beide Figuren verschmolzen. Der „Nickel“ im Namen erinnert noch an den Bischof Nikolaus, das „Belz“ meint wahrscheinlich nicht den Pelz in den die Gestalt gewandet ist, sonder leitet sich aus „Beelzebub“ ab, dem Namen des Teufels.

Der „Belzenickel“ hat nun auch beide Aufgaben des früheren Duos übernommen, in einer Person lobt und beschenkt er die Kinder, droht und tadelt sie aber auch.

Im Jahr 1845 finden wirin der Erstauflage des „Struwwelpeter“ von Dr. Heinrich Hoffmann einen Nikolaus (eigentl. Nikolas) als moralische Instanz abgebildet.
Er tunkt  böse Buben, die sich wegen der Hautfarbe über einen Neger lustig machen in seinem Tintenfass bis sie ebenso schwarz sind. So schließt sich wieder der Kreis zum schwarzen Schiffsjungen des hl. Nikolaus.
Der von Hoffmann für seine eigenen Kinder selbst kolorierte Nikolaus, tritt auf diesem Bild mit langem grauen (!) Bart einer braunen (!) Mönchskutte und einer eigenartigen Mütze mit rotem Zipfel auf.

Der romantische Maler Ludwig Richter zeichnete 1852 einen typischen Belzenickel, der mit Sack, Rute und Bart schon die wesentlichen Attribute des späteren Weihnachtsmann besitzt.

Den pfälzischen Belzenickel hatte auch der 1840 in Landau in der Pfalz geborene und nach Amerika ausgewanderte Künstler Thomas Nast noch in Erinnerung.
Er  entwarf im Jahre 1881 für die US-amerikanische Zeitschrift  „Harpers Weekly“ das berühmte Bild „Merry Old Santa Claus“.
Dieser Santa Claus kann mit Recht als der Urvater des amerikanischen „Santa Claus“ oder unseres modernen „Weihnachtsmannes bezeichnet werden.
Schon einige Jahre früher, bereits im Jahr 1863 erfreute Nast die Soldaten der Nordstaaten- Armee im mit einem weihnachtlichen Bilderzyklus rund um seinen pfälzischen Belzenickel.
Thomas Nast bildete seinen Santa Claus so ab, dass sich die Einwanderer der USA in ihrer nationalen Tradition wiederfinden konnten.

Der deutsche Belzenickel, der jetzt so gar nichts mehr mit seiner ursprünglichen Teufelsgestalt zu tun hat, sondern die freundlichen Züge und den weißen Bart des heiligen Nikolaus trägt, wird mit einem Zweig der Stechpalme (engl. Holly) an der Mütze geschmückt und schmaucht eine lange Tonpfeife.
Einerseits eine Reverenz an die Amerikaner englischer Herkunft und andererseits an die mit niederländischen Wurzeln und ihrem „Sinterklaas“.
Unter den Armen und im Rucksack transportiert er schöne Geschenke für die braven Kinder.

Der Mythos des SantaClaus, der mit seinem Rentierschlitten durch die weihnachtlichen Nächte fliegt, um Geschenke von Haus zu Haus zu bringen entstand freilich schon wesentlich früher. Er geht auf ein anonymes Gedicht „The Night before Christmans“ aus dem Jahre 1823 zurück.

Daher fährt auch schon der frühe Santa Claus von Nast aus dem Jahre 1863 mit einem Rentiergespann.

Allerdings trägt er offensichtlich in patriotischer Begeisterung für die Nordstaaten noch keinen roten Mantel, sondern Jacke und Hosen mit den „Stars and Stripes“

Durch Nast hatte der „Weihnachtsmann“ endlich seine Rolle gefunden. Er trat jetzt nicht mehr als der heilige Nikolaus auf und nicht mehr als der dämonische Knecht Ruprecht, sondern als ein jovialer pausbäckiger und weißbärtiger Herr vorgerückten Alters, der es trotz ansehnlicher Körperfülle noch fertig brachte, durch enge Kamine zu schlüpfen, um den Kindern in aller Welt die Gaben in die Strümpfe vor dem Kamin oder unter den Christbaum zu legen.

Der Ausgangsort seinerweihnachtlichen Rentierschlitten-Touren wurde auf den Nordpol verlegt und die Erwachsenen erzählen den Kindern, dort sei die Heimstätte des Weihnachtsmanns in der wahlweise Zwerge, Elfen oder Engel die unzähligen Spielsachen herstellen, die er dann den braven Kindern bringt.
Damit ist der kleine schwarze Schiffsjunge des heiligen Nikolaus schlussendlich zum offenbar größten Spielwarenproduzenten der Welt geworden.
Befreit von Heiligenschein und Teufelshörnern taugte dieser „Weihnachtsmann“ auch hervorragend als Sympathie- und Werbeträger im Marketing. Bereits gegen Ende des 19.-Jahrhunderts zierte sein Konterfei die Grußkarten in den USA und Europa.

Die Legionen von „Weihnachtsmännern“ die uns in den unterschiedlichsten Versionen heute, zu Beginn des 21.-Jahrhunderts an allen vorweihnachtlichen Orten mit abendländischer Tradition begegnen, symbolisieren den Marketing-Wert der Kreation von Thomas Nast.

Neben dem geschilderten US-amerikanischen Weihnachtsmann-Mythos entstanden sogar neue Legenden um den Weihnachtsmann: So soll der Weihnachtsmann seine rote Jacke der Coca-Cola Werbung verdanken.

Der Cartoonist Haddon Sundblom zeichnete 1931 für die Coca-Cola Company im Rahmen einer Werbekampagne den Weihnachtsmann. Vorbild für Gestalt und Aussehen dieses Weihnachtsmannes war der Auslieferungsfahrer Lou Prentiss. Jacke und Hose kolorierte Sundblom in den Coca-Cola Hausfarben, da der Druck der Werbeanzeige nicht mehr wie bei Thomas Nast schwarz-weiß, sondern farbig erfolgen sollte. Zweifellos trug diese Werbung zur weiteren Verbreitung des himmlischen Getränkes und des roten Weihnachtsmannes bei. Doch schon Thomas Nast selbst kolorierte seinen Santa Claus in rot.
Vier Jahre zuvor im Jahr 1927 definierte die „New York Times“ den idealtypischen Weihnachtsmann: „Größe, Gewicht, Statur sind ebenso vereinheitlicht wie das rote Gewand, die Mütze und der weiße Bart".  

Gleichwohl warte ich auf den historisch korrekten Weihnachtsmann schwarzafrikanischer Herkunft.

Prof. Dr. Helmut Reichling, Hochschule Kaiserslautern. Campus Zweibrücken, 66482 Zweibrücken, Amerikastr.1

Verwendete und weiterführende Literatur:

Becker-Huberti, Manfred:

Der Weihnachtsmann lebt. Wie er wurde, was er ist. Freiburg, Basel, Wien 2004

Becker-Huberti, Manfred:

Der heilige Nikolaus, Leben, Legenden und Bräuche. Köln 2005

Hauschild, Thomas:

Weihnachtsmann, die wahre Geschichte. Frankfurt 2012

Mensing, Roman:

Nikolaus von Myra. Düsseldorf 2001

Mondschein, Helga:

Der heilige Nikolaus, Geschichten und Legenden. Leipzig 2004

Schaubert, Vera; Schindler Hanns-Michael:

Heilige und Namenspatrone im Jahreslauf. Augsburg 1992