Prof. Dr. Helmut Reichling zu Themen von gestern, heute und morgen
aktualisiert am: .13.08. 2021
Linkshänder und Linkshänderinnen
Prof. Dr. Helmut Reichling, Zweibrücken am 13. August 20121
Wir leben in einer Welt, in der 90 Prozent unserer
Mitmenschen anders sind als wir.
Wir Linkshänder und Linkshänderinnen und waren schon in den
Höhlen des Neandertals die anderen und wir sind es bis heute geblieben.
Linkshändigkeit nichts Schlechtes
ist, obwohl es uns Linkshändern und Linkshänderinnen immer eingeredet wird.
Manche erinnern sich noch
daran, wie sie als Kinder das Händchen zur Begrüßung ausgesteckten und
unvermittelt gab es dann einen Klapps auf die linke Hand mit der Ermahnung: „Gib
das schöne Händchen.“
So lernte das Kind sehr früh,
dass es wohl ein schönes Händchen geben muss und das Händchen, mit dem es
bastelte, malte, Muscheln sammelte oder seine Eltern streichelte offensichtlich
ein böses Händchen war.
Die Verdammung der linken Hand
ging bis vor nicht allzu langer Zeit auch in der Schule weiter.
Die Linkshänder und
Linkshänderinnen früherer Generationen wurden in der Schule mit Gewalt auf die
rechte Schreibhand umerzogen.
Die Folge waren eine schlechte
Handschrift, Legasthenie und ausgeprägte Sprachstörungen.
Die bekannte Psychologin und
Verhaltensforscherin Johanna Barbara Sattler, die als Kind diese Quälereien auch
erleben musste, hat sich die Verbesserung der Situation der Linkshänder zur
Lebensaufgabe gemacht. Sie bezeichnete diese Umerziehung sehr treffend als den „massivsten unblutigen Eingriff in das
menschliche Gehirn“.
Seit den Siebzigerjahren
verzichten die Schulen auf diese Zwangsumerziehung.
Dabei hätte man schon viel
früher entdecken können, dass Linkshänder nicht ungeschicktere Schreiber sind,
sondern durch diese Linkshändigkeit auch über phänomenale Fähigkeiten verfügen.
Die meisten Linkshänder sind
in der Lage, spontan in Spiegelschrift zu schreiben, wie beispielsweise auch
der große Maler Leonardo da Vinci, ein Linkshänder, der seine Anweisungen und
Bücher alle in Spiegelschrift verfasst hat.
Die Digitalisierung ist
vielleicht eine späte Rache der Linkshänder, denn dadurch spielen Tinte und Schreibstift
keine Rolle mehr, im Gegenteil.
Wir Linkshänder sind im
Vorteil, denn auf der Tastatur stehen die wichtigsten Buchstaben wie, e r s und
t auf der linken Seite.
Dennoch sind Linkshänder und
Linkshänderinnen auch heute immer noch benachteiligt.
Man hat von professionellen
Orchestern gehört, die keine Linkshänder aufnehmen.
Das Polospiel ist den
Linkshändern verwehrt, da der Poloschläger grundsätzlich in der rechten Hand
geführt werden muss.
In vielen Kampfsportarten wie
dem Fechten und dem Boxen, aber auch im Tennis sind Linkshänder unbeliebt. Sie
haben nämlich den Vorteil, sich im Training auf rechtshändige Gegner einstellen
zu können, während der Rechtshänder zunächst erstaunt ist, wenn die Hiebe oder
Schläge aus einer ungewohnten Richtung kommen.
Rechtsausleger, also
linkshändige Boxer, finden oft keine Gegner im Boxsport und werden daher in den
USA nicht selten und dann zu ihrem Nachteil auf Rechtshändigkeit untrainiert.
Die Verhaltensforschung geht
davon aus, dass das Grundmuster des menschlichen Verhaltens auf der ganzen Welt
gleich ist. Solche Verhaltensmuster, die sich in allen Kulturen und zu allen
Zeiten nachweisen lassen, nennt man Universalien.
Der schlechte Ruf der
Linkshändigkeit und der linken Seite schlechthin ist eine sogenannte
Universalie. Das lässt sich bereits in der sprachlichen Bezeichnung
verdeutlichen, „rechts“ bedeutet „recht also richtig“, „links“ hingegen ist
schlecht, ist falsch, linkisch im Sinne von ungeschickt oder hinterhältig.
Diese Bedeutungen gelten in
allen Sprachen, im Französischen ist „droit“ ebenfalls gleichbedeutend mit
recht und richtig, „gauche“ ist abwertend, so wird wenn jemand stirbt in
Frankreich auch gesagt, „il passe a gauche“. „Right“ und „left“ im Englischen
sind in gleicher Weise mit positiver und negativer Wortbedeutung belegt.
Schon im alten Rom stand das
Wort „sinister“ nicht nur für links, sondern auch für alles denkbar schlechte
und die dunkle Seite.
Links schlecht und rechts gut,
hat auch Eingang in die religiösen Vorstellungen gefunden:In der Bibel lesen
wir, dass am jüngsten Tag die Guten rechts von Gott stehen werden und die Bösen
links. Daher kommt es auch, dass es Unheil bringen soll, wenn eine schwarze
Katze von links nach rechts über den Weg läuft, denn die kommt ja dann ganz
bestimmt von der Seite des Bösen.
Und wenn jeman mit dem linken Fuß
zuerst aufgestanden ist, dann ist der ganze Tag unglücklich.
Auf der ganzen Welt ist der
Ehrenplatz an der rechten Seite des Gastgebers. Rechts gilt als die richtige,
die männliche Seite. Die linke Seite ist die weibliche Seite. Die Frau geht
rechts vom Mann, damit sie ihn nicht behindert, wenn er sein Schwert zieht,
oder sie geht links vom Mann, damit er die Schwerthand frei hat und sie an der
linken Seite mit seinem Schild schützen kann.
In alten Zweiten war der
Verkehr auf den Landstraßen Linksverkehr. Wenn sich zwei bewaffnete Reiter auf
der Straße begegneten, dann war die Schwertseite einander zugewandt.
Erst im 19. Jahrhundert führte
Napoleon in dem von ihm eroberten Europa den Rechtsverkehr ein. Allerdings
nicht, weil er ja auch Linkshänder war, sondern als Täuschungstaktik, damit man
anrückende Truppen für abziehenden Soldaten halten sollte.
In muslimischen Ländern ist
das Leben für uns mitteleuropäische Linkshänderinnen und Linkshänder besonders
schwer. Aus Gründen der persönlichen Hygiene gilt die linke Hand dort in
besonderer Weise als die unreine Hand und wir müssen immer auf der Hut sein
nichts, mit der linken Hand anzufassen. Weil die linke Hand als unrein gilt,
können in Ghana Linkshänder nicht zum König gekrönt werden.
Linkshänderinnen und
Linkshänder sind etwas Besonderes.
Wie Linkshändigkeit entsteht,
ist wissenschaftlich immer noch nicht endgültig geklärt, obwohl diese Frage die
Menschheit schon seit der Antike beschäftigt. Der griechische Philosoph Platon,
ein Sokrates-Schüler, war der Ansicht, Linkshändigkeit sei eine Erziehungssache
und hat damit die Behandlung der Linkshänder bis in unsere Zeit negativ
beeinflusst. Sein Schüler Aristoteles, der immerhin der Lehrer Alexander des
Großen war, hielt dagegen die Linkshändigkeit für angeboren und damit hatte er
wohl recht.
Wir vermuten, dass die Anlage
mit der Funktion der Hirnhälften in Zusammenhang steht. Beim Linkshänder ist
die rechte Gehirnhälfte die dominantere, beim Rechtshänder die Linke. Der Linkshänder
denkt also richtig. Der Rechtshänder links.
Daher werden Linkshändern eine
größere Kreativität, ausgeprägtere Fantasie, Planungs- und
Entscheidungsfähigkeit, Organisationstalent und andere wichtige Begabungen
zugeschrieben.
In der Verhaltensforschung
vermuten wir, dass der Linkshänder, die Linkshänderin, die ja in einer
rechtshändig ausgerichteten Umgebung sozialisiert werden, im Laufe des Lebens
Anpassungsmechanismen entwickeln, durch welche die Intelligenz und die
Anpassungsfähigkeit gesteigert werden. Der Linkshänder ist also gezwungen, sich
im Laufe seines Lebens immer anzupassen und sich dadurch im Sinne einer
individuellen Evolution weiter zu entwickeln.
Ob Linkshändigkeit vererbt wird,
ist leider noch nicht eindeutig geklärt. Eine Studie der McDevitt-Universität
in Oklahoma aus dem Jahr 1988 kam zu dem Ergebnis, dass Kinder, deren beide
Eltern Linkshänder sind, mit 26-prozentiger Wahrscheinlichkeit Linkshänder
werden.
Wissenschaftlich gesichert ist
aber die Tatsache, dass Linkshänder oft erfolgreicher sind als Rechtshänder. Eine
repräsentative Studie über die Einkommensverhältnisse in den USA kam zu dem
Ergebnis, dass Linkshänder ein rund 15 % höheres Einkommen erzielen als
Rechtshänder.
Berühmte Linkshänder
bestätigen dieses Ergebnis: Cäsar war Linkshänder, Leonardo da Vinci, Mozart, Goethe,
Napoleon, Beethoven, Picasso, Einstein, Tom Cruise, Paul McCartney und Bill
Gates, um nur einige Beispiele zu nennen.
In den letzten Jahren waren
die meisten der US-amerikanischen Präsidenten Linkshänder: Gerald Ford, Roland
Reagan, George Bush sen., Bill Clinton, Barack Obama.
Auch Vladimir Putin, der
russische Präsident, ist Linkshänder.
Donald Trump dagegen ist
Rechtshänder, was eigentlich schon für sich spricht.
Aber wir kennen auch eine
ganze Reihe berühmter Linkshänderinnen: Die griechische Göttin Aphrodite, die
Göttin der Liebe, bei den Römern wurde sie Venus genannt, soll der Sage nach
Linkshänderin gewesen sein.
Ebenso die Königin Kleopatra, Johanna
von Orleans, Madame Pompadour, Marilyn Monroe, Julia Roberts, Angelina Jolie, Nicole
Kidman, Lady Gaga und die britische Königin Elisabeth II., die diese
Eigenschaft an ihren Enkel und künftigen König Prinz William weitervererbt hat.
Diese Liste ließe sich noch
erweitern und Du und ich, wir gehören auch dazu.
In diesem Sinne wünsche ich
uns allen einen schönen Weltlinkshändertag.