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Prof. Dr. Helmut Reichling  zu Themen von gestern, heute und morgen
aktualisiert am: 02.07.2019

 

 

 

Wissenschaftler und ForschungsreisenderHermann Dingler

Vortrag vor dem historischen Verein Zweibrücken,

2016 von Prof. Dr. Helmut Reichling

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Zweibrücker Geschichtsfreundinnen und Geschichtsfreunde

Heute möchte ich Ihnen von einem Zweibrücker erzählen, der – wie ich meine – völlig zu Unrecht ein wenig in Vergessenheit geraten ist.

Ein wenig in Vergessenheit ist noch zu schwach ausgedrückt, für das mangelnde Wissen bei den Zweibrücker Bürgerinnen und Bürgern über einen der berühmtesten Söhne unserer Stadt.

Hermann Dingler, der auch heute noch in der Wissenschaft hohes und höchstes Ansehen genießt, steht in der Zweibrücker Regionalgeschichte immer im Schatten seines Onkels des Fabrikanten Christian Dingler.

Die Geschichte und Geschichten, die ich Ihnen heute Abend erzählen will, erheben freilich keinen Anspruch darauf, eine wissenschaftliche Biographie von Hermann Dingler zu sein. Sie können für Berufenere eine Anregung sein, sich intensiver mit dieser interessanten Lebensgeschichte zu beschäftigen.

Das Thema Hermann Dingler bietet Stoff genug für eine Doktorarbeit in den unterschiedlichsten Disziplinen.

Heute Abend will ich Ihnen den Mensch Hermann Dingler näher bringen, seine Abenteuer, seine wissenschaftliche Arbeit und dabei auch sein Leben in den entsprechenden historischen Kontext stellen.

Vieles über Hermann Dingler ist in der Bibliotheca Bipontina in Zweibrücken erhalten, noch mehr findet sich in den wissenschaftlichen Bibliotheken der internationalen Universitäten.

Aber manches bestimmt noch Spannendes über diesen interessanten Mann schlummert noch in Archiven oder in Familienpapieren und ist der Forschung bis heute nicht zugänglich.

Dennoch ist es mir mit Hilfe der in Zweibrücken beheimateten wissenschaftlichen Bibliothek, der Bibliotheca Bipontina, die ja über die wissenschaftliche Fernleihe mit allen großen Bibliotheken in der Welt verbunden ist,  gelungen einige Quellen über Hermann Dingler zu erschließen.

Daher gilt mein Dank in besonderer Weise Frau Oberbibliotheksrätin Dr. Hubert-Reichling ohne deren Unterstützung und Recherchearbeit mein heutiger Vortrag nicht möglich geworden wäre.

Dennoch erwarten Sie bitte in der nächsten halbe Stunde keinen wissenschaftlichen Vortrag, sondern eine spannende Geschichte über einen bedeutenden Zweibrücker.

Die Geschichte von Hermann Dingler beginnt hier, nicht nur in zeitlicher Hinsicht, sondern auch in räumlicher.

Gerade hier in der Karlskirche.

 

Damals um das Jahr 1765  war der Leineweber Johann Christinan Dingler aus Plieningen im Schwäbischen nach Zweibrücken gekommen und hatte im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken sein Gewerbe etabliert.

Es war die Zeit da unser Herzog Christian IV. durch besondere Förderung der Textilwirtschaft sein Fürstentum wirtschaftlich nach vorne bringen wollte und zahlreiche tüchtige Handwerker dieses Zweiges in seiner Residenzstadt ansiedelte.

Der lutherische Dingler ging natürlich zum Gottesdienst in die Karlskirche und wurde dabei – ich bin mir sicher – durch besonderen himmlischen Ratschluss – der Jungfer Carolina Christina ansichtig, der Tochter des Türmers der Karlskirche.

Türmer der Karlskirche war damals wohl eher ein Ehrenamt als eine Funktion wie im Mittelalter, denn der Vater des hübschen Mädchens, Hartmann mit Namen, war in Zweibrücken ein angesehener Schneidermeister und hatte seine Werkstatt bestimmt nicht auf dem Kirchturm.

Weber und Schneider passen gut zusammen und so kam es, zumindest in familiärer Hinsicht zu einem joint venture. Johann Christian heiratete die Jungfer Carolina,  die ihm acht Kinder schenkte.

Zwei von ihnen interessieren uns hier in erster Linie:

Johann Christian, der so hieß wie sein Vater und Johann Gottfried Dingler.

Johann Christian der Jüngere, wie man ihn später nannte ergriff ein Metallverarbeitendes Handwerk und wurde Schmied und Schlosser.

Seinen Betrieb hatte er in der Karlstrasse, unweit der Karlskirche deren Türmer nach dem Tod des alten Hartmann Christian Dingler der Älteres wurde. Wie gesagt ein Ehrenamt.

 

Der Bruder Johann Gottfried Dingler schien zuerst etwas aus der Art geschlagen.

Er war hoch intelligent wie alle Dingler und interessierte sich für Dinge, die über den normalen handwerklichen Alltag hinausgingen. Auch darin ein typischer Dingler.

Gleichwohl ergriff er kein Handwerk, sondern den Beruf des Apothekers.

Auch sein Leben wäre es Wert, in einem ausführlichen Vortrag beleuchtet zu werden.

Er tat sich in verschiedenen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten hervor. Überwiegend in Augsburg. Er initiierte den Kattundruck in Deutschland und wurde schließlich – mittlerweile schon längst zum Dr. promoviert – zusammen mit Friedrich Cotta der Herausgeber des bekannten Polytechnischen Journals.

Wir bleiben aber heute bei der Familie des Johann Christian des Jüngeren, des Schmiedes aus der Karlstrasse.

Er wuchs zu einem hochgeachteten Mitglied der Zweibrücker Gesellschaft heran. Galt als sehr erfahrener Handwerksmeister und sah ohne Neid auf seinen Bruder den Herrn Doktor

Dingler hatte Maria, die Tochter des Wagnermeisters Singer aus Zweibrücken geheiratet. Eine gute Wahl. Auch geschäftlich, denn Wagenräder waren damals mit Bandeisen beschlagen.

Von den Kindern von Maria und Johann Christian dem Jüngeren wollen wir uns  zwei Söhne näher betrachten.

 

 

Am 15. Februar 1802 wurde Christian Dingler geboren. Das ist der Dingler, den wir alle kennen.

Der Gründer der Dinglerwerke auf dem Schönhof, der Erfinder der Kniehebelpresse, der größte Fabrikant im Südwesten, der Revolutionär und Visionär.

Er sich nicht mehr genau daran erinnern kann, möge meine Ausführungen dazu in dem Buch „Ein langes Jahrhundert“ lesen.

Ein Buch das übrigens in jeden kultivierten Zweibrücker Bücherschrank gehört.

Bereits am 2. November des Jahres 1803 bekam Christian Dingler ein Brüderchen, Johann Gottfried Dingler, dem man den Namen seines berühmten Onkels, des Herrn Apotheker gab, der zur Taufe sicher auch etwas springen lies.

Johann Gottfried Dingler war also der jüngere Bruder unseres Unternehmers Dingler.

Dem Rat seines Vaters folgend ergriff er allerdings einen etwas weniger gefährlichen Beruf, der zudem eine geordnete Lebensplanung versprach.

Er besuchte das humanistische Gymnasium in Zweibrücken, studierte Jura und Theologie und wurde Richter.

1847 als sein Bruder Christian mit revolutionären Umtrieben im Rahmen der bürgerlichen Revolution beschäftigt war, finden wir Ihn am königlichen  Appellationsgericht in Zweibrücken als 2. Staatsprokurator.

Er war bekannt für seine demokratische und liberale Grundhaltung.

Zwei Jahre später wurde er Appellationsgerichtsrat.

Von 1863 bis 1874 vertrat er den Wahlkreis Zweibrücken/Pirmasens als Abgeordneter der liberalen Partei im bayrischen Landtag.

Sein Bruder der Unternehmer Dingler war da schon seit fünf Jahren verstorben.

Eine wichtige Persönlichkeit also vor der man in Zweibrücken den Hut zog.

Johann Gottfried Dingler war mit Maria der Tochter des bekannten Zweibrücker Glockengießers Johann Peter Lindemann verheiratet und am 23. Mai 1846 wurde ihnen ein Sohn geboren, Hermann Dingler.

Der Hermann Dingler um den es uns heute geht.

Hermann Dingler erlebte eine geordnete und wohlbehütete Jugend, sein Vater war ein angesehener Jurist.

Es lag nahe, dass auch er einmal ein ordentliches Mitglied der Gesellschaft werden sollte.

Also besuchte er zunächst das Zweibrücker Gymnasium.

Natürlich ein altsprachliches Gymnasium.

In der Bibliotheca Bipontina werden bis zum heutigen Tag seine schulischen Leistungen dokumentiert:

Damals wurden die Leistungsfortschritte der Gymnasiasten nicht in Noten festgehalten, sondern in der Reihenfolge der Leistungen, ähnlich der Methode wie sie an den französischen Eliteschulen noch  heute praktiziert wird.

Der zwölfjährige Hermann Dingler nimmt dabei unter seinen 22 Klassenkameraden den 10. Rang in der Gesamtwertung ein. Ein mittelmäßiger Schüler im wahrsten Sinne des Wortes.

Allerdings belegt er im Fach Arithmetik den Rang drei. Vor ihm stehen dabei nur Karl Roth der Sohn des verstorbenen Mechanikus Roth aus Ixheim, der sowieso der Klassenbeste war und Adolf Guttenberger der Sohn des Waldmohrer Notars.

Der junge Herr von Hofenfels, ein Klassenkamerad kommt sogar nur auf den Gesamtrang 11 direkt nach Hermann Dingler.

Ein Jahr später schafft es Dingler auf Platz 9 von 26 Schülern. Im Fach Geographie erreicht er sogar den 2. Rang.

Dann kommt ein Absturz. Hermann Dingler rutscht auf den letzten Rangplatz: 27 von 27. In Latein, Deutsch und Französisch ist er der letzte. Sogar in seinem Lieblingsfach der Geographie ist er nur noch auf Platz 10.

Es ist das Todesjahr seiner Mutter.

Doch schon im nächsten Schuljahr, er ist jetzt 15 Jahre alt, erobert er sich den Platz 7 von 32 Schülern.

Mit 17 Jahren –offensichtlich fängt jetzt die Geschichte mit den Mädchen an – ist Dingler auf Rang 20 von 28 abgerutscht, immerhin in Mathematik noch auf Rang 4 und in Geographie und Geschichte auf Rang 7, in der lateinischen Sprache sogar auf Rang 2. Klassenkamerad von Hofenfels schafft es nur auf Rang 25.

 

Die Ränge 1 bis 3 belegen die Söhne von Bauern aus Ilbesheim und Grünstadt und der Bäckersohn aus Altleinigen.

Das humanistische Gymnasium war also auch schon damals nicht die Dünkelschule der Akademikerkinder, als die sie später gerne dargestellt wurde.

In diesem Jahr unternahm der 17-jährige Dingler mit seinem jüngeren Bruder Adolf, ebenfalls ein Schüler des humanistischen Gymnasiums eine selbständige Wanderung durch die Pfalz und in die angrenzenden Gebiete.

Als Primaner, kurz vor dem Abitur ergriff er die Gelegenheit zu einer Reise in die Schweiz, um bei Interlagen und Grindelwald die Alpenflora kennenzulernen.

Damit war bereits in so jungen Jahren das doppelte Leitthema im Leben Hermann Dinglers vorgegeben.

Reisen und Pflanzen.

Das Abitur besteht Dingler mit Rang 17 von 30 Schülern.

Der Sohn des Bauern aus Ilbesheim als Klassenbester.

Hermann Dingler ist jetzt knapp 19 Jahre alt und die Welt steht ihm offen.

In den USA endet der Sezessionskrieg,  Siedler Trecks ziehen in den sogenannten Wilden Westen und in Ohio wird zum ersten Mal ein Eisenbahnzug ausgeraubt.

Der Vater, der Landtagsabgeordnete und Appellationsgerichtsrat Dingler, drängt den Sohn ein juristisches Studium aufzunehmen. Jura ist immer gut.

Damit kann man alles werden.

Den Sohn zieht es allerdings zu den Naturwissenschaften.

Da Vater Dingler kein kleinlicher Familiendespot ist und Hermann kein heißblütiger Revoluzzer, schließt man im Hause Dingler einen politischen Kompromiss.

Hermann Dingler soll Medizin studieren, aber mit der Bedingung, dass auch das Staatsexamen absolviert werden muss.

Dingler geht zunächst in die Schweiz und beginnt sein Studium in Zürich. Dann wechselt er nach Erlangen und schließlich nach München.

Seine Kenntnisse im Umgang mit der blanken Waffe vervollkommnend er beim Korps Helvetia in Zürich und dem Corps Onoldia in Erlangen.

1870 promoviert er in München zum Dr. med. und erhält nach Ablegung seines Staatsexamens 1872 die Approbation.

Seine 1872 in München veröffentlichte Dissertation liegt in der Bibliotheca Bipontina.

Sie trägt den Titel  „Zur Behandlung von Schusswunden“ und ist das Ergebnis seiner praktischen Tätigkeit als Militärarzt in einem Lazarett während des Deutschfranzösischen Krieges 1870/71.

Als Stabsarzt des 7. Bayerischen Jägerregimentes nimmt er am Krieg 1870/71 teil.

Diese Schrift ist ein beredtes Zeugnis zur Behandlung von Schussverletzungen in der damaligen Zeit und gibt gleichzeitig ein gutes Bild über die Persönlichkeit des 25 jährigen Hermann Dingler.

Dr. Dingler arbeitete in einem für die Zeit gut eingerichteten Militärhospital, das in Würzburg in den Räumen einer pädagogischen Hochschule untergebracht war.

Gerade in dieser Stadt forschte der etwa gleichaltrige Physiker Wilhelm Röntgen, dem Dingler möglicherweise schon während des gemeinsamen Studienaufenthaltes in Zürich begegnet sein kann.

Als Dingler seine Dissertation schrieb, hatte allerdings Röntgen seine bahnbrechende Entdeckung noch nicht gemacht.

 

 

Der Arzt Dingler musste sich bei der Diagnose von Schussverletzungen noch auf Tastbefunde verlassen.

Seine zutreffenden Beurteilungen bei Knochenverletzungen sind daher umso bemerkenswerter.

Dingler beschreibt auch kompliziertere Schnitte zur Eiterdrainage und mit Verblüffung lesen wir von einem komplizierteren Eingriff bei dem Dingler vermerkt, dass er unter Narkose durchgeführt wurde.

Also waren die Säbeleien die er zuvor beschreibt alle ohne Narkose erfolgt.

Das wundert nicht, denn Narkoseverfahren mit Äther und Chloroform waren zu seiner Studienzeit erst seit wenigen Jahren bekannt und von vielen Ärzten in Europa als amerikanische  Quacksalberei verspottet.

Mich persönliche haben die Therapiemethoden Dinglers beeindruckt, die nicht nur auf dem chirurgischen Gebiet beschrieben wurden, sondern einen eher ganzheitlichen Ansatz der Medizin verfolgten.

Er setzt auf kräftigende Nahrung, Fleisch und Eier. Betont die guten Erfolge nach dem Einsatz von Bier und Rotwein im Zuge der Therapie.

In einem besonders kritischen Fall, bei dem der Blutdruck des Patienten absackte setzte er sogar Champagner ein.

Konnte aber den jungen Soldaten nicht mehr retten.

 

Doch bald nach dem Krieg hielt es den jungen Mediziner nicht mehr in Deutschland. Er wollte hinaus in die Welt.

Erinnern wir uns: Geographie war sein Lieblingsfach am humanistischen Gymnasium.

Als Altsprachler mit nur rudimentären Englischkenntnissen zog es ihn daher weniger nach Amerika in den wilden Westen, wie man vielleicht denken könnte, sondern an die antiken Stätten in Kleinasien und Palästina.

Hier empfiehlt es sich einen kurzen Blick auf die Karte des sogenannten Nahen Osten in der Zeit um 1872 zu werfen.

 

Der sogenannte Nahe Osten, das bedeutete damals das Osmanische Reich.

Doch hatte dieses Reich damals viel von seinem einstigen Glanz und seiner Stärke verloren. Der Spruch vom sogenannten kranken Mann am Bosporus tauchte damals schon in westlichen Zeitungen auf.

Das Osmanische Reich war ein Vielvölkerstaat wie die k.u.k Monarchie unter Kaiser Franz Joseph.

Es reichte zwar immer noch vom Balkan bis zum heutigen Jemen und vom Schwarzen Meer bis zum Sinai, aber es war von inneren Unruhen zerrissen.

Damals schon.

Die heutigen Staaten Irak, Syrien, Israel, Jordanien und der Libanon, der Jemen, Saudi-Arabien, Libyen, Tunesien und die Emirate waren Teil des Osmanischen Reiches.

Griechenland war 1830 vom Osmanischen Reich unabhängig geworden und wurde von einem bayrischen König regiert. In Ägypten herrschte Muhamed Ali Pascha, der sich vom Reich losgesagt hatte und mit Hilfe seines deutschen Militärberaters Helmuth von Moltke 1841 bis weit nach Syrien vorgedrungen war und sich von dort nur nach internationalem Druck wieder zurückzog.

Der Aufstand des Ali Pascha gegen den Sultan begann übrigens in der Stadt Homs.

In den heiligen Städten Mekka und Medina machte sich Saud I. ibn Abd al Aziz breit, der die Araber zum Widerstand gegen die Türken anstachelte und im Taurus-Gebirge ließen sich die kurdischen Stämme schon seit Jahrhunderten keine Vorschriften vom Sultan machen.

Das zaristische Russland verfolgte sogar auf dem Weg der Geheimdiplomatie den Plan das nördliche Osmanische Reich, also die heutige Türkei unter Russland, Österreich und Großbritannien aufzuteilen. Istanbul und der Bosporus sollten dann als Konstantinopel an Russland fallen.

 

Kommt uns heute alles so bekannt vor.

In dieses Pulverfass reiste also Hermann Dingler.

Ein junger Mann auf der Suche nach Abenteuer.

Hermanns älterer Bruder Otto lebte als Geschäftsträger des österreichischen Lloyd, einer bedeutenden Seerederei in Istanbul und lud Hermann 1873 zu sich ein.

Damals war Sultan Abdülaziz (1830-1876)  die schwere Aufgabe zugefallen, das Riesenreich zu regieren. Er war außerordentlich modern und pro westlich eingestellt.

Abdülaziz versuchte durch persönliches Vorbild die Staatsfinanzen zu reformieren indem er die Einkünfte des Sultans um zwei Drittel reduzierte. Er bildete einen Staatsrat und richtete nicht nur einen Appellationsgerichtshof ein, sondern auch westlich orientierte juristische Fakultäten.

Der Sultan bereiste Europa, besuchte die Weltausstellung in Paris. Er sorgte für die rechtliche Gleichstellung aller seiner Völker, beispielsweise der Armenier und führte eine Steuerreform durch.

Man sieht es ihm äußerlich nicht an, aber er galt bei seinen Zeitgenossen als musisch sehr interessiert und kompetent. Abdülaziz war selbst ein grandioser Maler und Zeichner und verfertigte Opernkompositionen die heute noch gespielt werden.

Den Bau des Wagner-Festspielhauses in Bayreuth unterstütze er mit einer ansehnlichen Geldsumme und zwar nicht wie sein Nachfolger verleumderisch behauptete, weil er Bayreuth mit Beirut verwechselt hat.

Der Sultan führte auch eine Heeresreform durch und trieb die Einführung der Bahnstrecken im Reich voran, um seine Truppen bei Bedarf schnell in die jeweiligen Krisenregionen verlegen zu können.

Damals begannen die ersten Planungen zur legendären Bagdad Bahn.

Und in dieses Land in diese Zeit kam Hermann Dingler um seinen Bruder Otto  zu besuchen.

Die Regierung bot Hermann Dingler zunächst eine Stelle als Arzt bei der sogenannten „Eisenbahn-Trassierungs-Inspektion“ an, die er gerne annahm.

Zur Erkundung der künftigen Eisenbahnstrecken unternahm er weite Reisen zu Pferd und verstand es, schnell Kontakt zur einheimischen Bevölkerung zu finden.

Dank seiner guten Ausbildung im Zweibrücker Gymnasium erlernte er rasch die Landessprachen und soll auch zahlreiche Dialekte der arabischen Bevölkerung verstanden und gesprochen haben.

Als diese Inspektion aufgelöst wurde, hatte er sich einen so guten Ruf als Arzt erworben, dass man ihn als Militärarzt im Range eines Oberstleutnants in die türkische Armee übernahm.

Mehrere Jahrzehnte vor dem eigentlichen Beginn des Baues der Bagdad Bahn reist da ein junger deutscher Oberfeldarzt  kreuz und quer durchs Land.

Er freundet sich mit einem Araber, Hadschi Nasradin an, der ihm bei seinen gefährlichen Abenteuern zur Seite steht.

Als Arzt und Deutscher hat er es oft leicht, mit den Bewohnern der Gegenden, die den Osmanen feindlich gegenüber stehen in Kontakt zu kommen.

Aber bisweilen kommt es auch zu lebensbedrohlichen Situationen mit feindlichen Stämmen, fundamentalistischen Eiferern  oder ganz schlicht mit Räuberbanden.

Aber Dingler ist ein exzellenter Reiter auf seinem Araberhengst und ein gefürchteter Schütze mit Gewehr und Pistole. Obwohl er diese Waffen niemals einsetzt um einen Menschen zu töten. Oft reicht ein präziser Schuss um sich Respekt zu verschaffen.

Aus der Stellung des Militärarztes wechselt Dingler wieder zur Eisenbahn und kann nun noch umfangreichere Reisen im osmanischen Reich machen.

Von Istanbul aus kommend inspiziert er die Streckenführung der Hedschasbahn von Damaskus zu den heiligen Städten und die Projekte der Bahn bis nach Bagdad.

Zur Vorbereitung des Projektes Taurusbahn gelangt er sogar in das Gebiet der Kurden, das wilde Kurdistan, wie man es damals nannte.

Längere Aufenthalte sind auch in Bithynien, Acco und Adrianopel nachweisbar.

Als das Projekt Bagdad Bahn mit deutscher Hilfe einige Jahre später dann in Angriff genommen wird,- wie wir wissen wurde zu deren Finanzierung die deutsche Bank gegründet – war es wiederum ein Deutscher dem die Oberleitung übertragen wurde.

August Heinrich Meissner, knapp 20 Jahre jünger als Dingler, der vom Osmanischen Reich aufgrund seiner Verdienste um die Bagdad Bahn geadelt und zum Pascha erhoben wurde.

 

Im Herbst des Jahres 1875 stirbt Hermanns Vater Johann Gottfried Dingler.

Nach seinen Abenteuerjahren und nachdem der gute Sultan Abdülaziz gestürzt und ermordet worden war, kehrte Hermann Dingler nach Deutschland zurück.

 

 

Er hat die Vereinbarung mit seinem Vater erfüllt und beginnt einen neuen Lebensabschnitt.

Dingler geht nochmals als Student an die Universität, nachdem im Orient seine Liebe zur Natur und den Pflanzen weiter gewachsen war.

Er nahm in München, später in Leipzig das Studium der Botanik auf.

Die Botanik sollte seine eigentliche Bestimmung werden.

Aber bevor ich von diesem Lebensabschnitt erzähle, wollen wir noch einen kurzen Moment bei seinen Abenteuern im Orient bleiben:

Trotz intensiver Recherche konnten wir keine zusammenhängenden Reisetagebücher oder Reisebeschreibungen dieser Zeit finden. Vielleicht liegen diese unveröffentlicht noch in irgendwelchen Familienarchiven.

In der Zeit seiner Orientabenteuer, also von 1872 bis 1875 saß ein Altersgenosse von Hermann Dingler, ebenfalls Jahrgang 1842 und ebenfalls ursprünglich aus einer Weberfamilie stammend wegen diverser Delikte im Zuchthaus in Waldheim in Sachsen ein.

Nachdem Hermann Dingler 1882 durch die Universität Leipzig in Sachsen zum Dr. phil. promoviert wurde, veröffentlichte der sächsische Kleinkriminelle, der sich seit 1875 unberechtigter Weise Dr. Karl May nannte, und als freischaffender und schlecht bezahlter Redakteur einer Leipziger Zeitung resozialisiert wurde, seine Reisebücher mit dem Titel von „Bagdad nach Stambul“ und „Durchs wilde Kurdistan“.

 

Was ich jetzt erzähle ist durch nichts bewiesen, vielleicht noch nicht bewiesen, aber immerhin ein reizvoller Gedanke: 

Schon zu Lebzeiten musste sich Karl May unterschiedliche Plagiatsvorwürfe gefallen lassen. Die darüber geführten Prozesse hat May alle verloren.

Ansgar Pöllmann wies eine Reihe von Plagiaten aus unterschiedlichen Werken nach. Ganze Abschnitte wurden ohne Änderung abgeschrieben.

May gilt heute in der Literaturwissenschaft als „literarischer Dieb“.

Vielleicht sind sich May und Dingler in Leipzig begegnet. Gelegenheit dazu hätten sie gehabt.

Die genannten Romane spielen zu der Zeit als May im Zuchthaus und Dingler im Orient war.

Vielleicht dachte sich Dingler mit Recht, Abenteuer im Orient passen nicht zu einem ordentlichen Wissenschaftler und hat May in Leipzig seine Aufzeichnungen überlassen.

Vielleicht hat er mit Genuss die Romane gelesen und was Karl May aus seinen Jahren im Orient gemacht hat und in dem Wissen, dass Kara Ben Nemsi eigentlich Hermann Ben Dingler war, hat er das Geheimnis bewahrt.

Und jetzt verstehen wir auch die langweiligen Landschaftsbeschreibungen und die Beschreibungen der unterschiedlichen Rosensorten bei Karl May, die uns als Jugendliche so gelangweilt haben.

Nun zurück zu. Hermann Dingler und seinem Leben.

Dingler geht in Sachsen nochmals zur Universität.

Er studiert Biologie mit dem Schwerpunkt Botanik.

Noch während des Studiums werden Aufsätze von ihm gedruckt. So 1877 „Das Rhodopegebirge in der europäischen Türkei und seine Vegetation“ und 1881 „Beiträge zur orientalischen Flora“.

Das Rhodopegebirge ist den Karl May Freunden als das Land der Skipetaren bekannt. (Durch das Land der Skipetaren 1892)

1878 wird Dingler Kustos des botanischen Gartens in München.

Da er durch das Dinglersche Familienerbe finanziell unabhängig ist, kann er es sich erlauben, 1880 mit 38 Jahren zu heiraten.

Die Auserwählte ist Marie Erlenmeyer, die Tochter des berühmten Chemieprofessors Emil Erlenmeyer an der TH München, dessen Erlenmeyer-Kolben wir noch alle aus dem Chemieunterricht kennen.

Aus dieser Ehe gingen drei Kinder hervor, sein Sohn Hugo, Mathematiker und Philosoph, der als Wissenschafts Theoretiker und Gegner Einsteins heute noch bekannter ist als sein Vater, sowie zwei Töchter, die beide Juristen geheiratet haben.

Den Großvater Gottfried Dingler hätte das sehr gefreut.

1882 erwirbt Dingler seinen zweiten Doktorgrad, den Dr.phil. mit einer Arbeit, die den Titel „Über das Scheitelwachstum des Gymnospermen-Stammes“ trägt.

Schon ein Jahr nach seiner Promotion zum Dr.phil habilitierte sich Hermann Dingler 1883 an der Universität München bei dem berühmten Carl Wilhelm von Nägeli.

Nägeli gilt als Entdecker der Chromosomen, also des biologischen Erbgutes.

Hermann Dingler ist jetzt Ende Dreißig und hat jetzt selbst  die Lehrbefugnis als Professor für das Fach Botanik.

Er lehrt zunächst in München als Privatdozent und ist Assistent von Prof. Nägeli. Einer ihrer damaligen Studenten ist Eduard Buchner, der spätere Nobelpreisträger.

Dingler zeichnet sich durch spannende Vorträge in diversen botanischen Vereinen aus und ist ein begehrter Redner.

Auch am Hofe wird man auf ihn Aufmerksam.

Besonders die äußerst gebildete und an botanischen Fragen sehr interessierte Prinzessin Therese von Bayern, die einzige Tochter des Prinzregenten Luitpold  findet Interesse an dem gutaussehenden Hermann Dingler.

Die Prinzessin war ebenfalls der Botanik und Zoologie zugetan und fühlte sich Dingler seelenverwandt. Sie war zwar acht Jahre jünger als Dingler, hatte damals jedoch schon inkognito Nordafrika bereist und konnte 12 Landessprachen in Wort und Schrift.

Sie erhielt als erste Frau von der Maximiliansuniversität in München die Doktorwürde und man sagt, wegen ihr habe der Prinzregent 1903 in Bayern das Frauenstudium eingeführt.

Was genau zwischen Hermann Dingler und Prinzessin Therese gelaufen ist, wissen wir nicht genau.

Aber wir wissen, dass Hermann Dingler auch Geheimnisse zu bewahren wusste

Siehe Karl May.

Im Sommersemester 1884 bekommt Dingler auf Wunsch des Ministeriums eine Vertretungsprofessur an der forstlichen Lehranstalt zu Aschaffenburg und als 1889 dort die Stelle eines ordentlichen Professors frei wird, fällt diese an Hermann Dingler.

Sein Schwiegervater Erlenmeyer zieht zu ihm nach Aschaffenburg und Dingler bietet dem mittlerweile pensionierten Chemiewissenschaftler  Forschungsmöglichkeiten in den Laboren seiner Hochschule.

Gemeinsam widmen sich die beiden der Frage, warum sich das Laub im Herbst verfärbt.

Sie können sämtliche damals vorherrschenden Theorien zu dieser Forschungsfrage widerlegen. Allerdings gelingt auch diesen beiden Geistesgrößen keine endgültige Erklärung.

Wären dies den beiden gelungen wäre ihnen der 1901 gestiftete Nobelpreis sicher gewesen.

Ein anderer Erlenmeyer Schüler, Prof. Dr. Eduard Buchner, 18 Jahre jünger als Hermann Dingler wurde 1907 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet.

Den ersten Nobelpreis für Physik erhielt 1901 übrigens Konrad Röntgen.

Die Laubverfärbung freilich ist auch heute noch ein ungelöstes Menschheitsrätsel.

Dingler wird in Aschaffenburg Mitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins, in dem er nicht nur die Ergebnisse seiner Forschungen vortragen konnte, sondern auch die Mitglieder zum Beobachten und Forschen anzuregen verstand.

Er wird Vorsitzender der Deutschen Botanischen Gesellschaft und gilt bald als einer der führenden Botaniker im Deutschen Reich und in Europa.

1885 vollendet Hermann Dingler sein Standardwerk über den Aufbau des Weinstocks. Nach den dort dargestellten theoretischen Grundlagen beschneiden die Winzer heute noch ihre Weinstöcke.

(Aufschlussreich mit was sich die Forsthochschule beschäftigt hat. Aber die künftigen Forstassessoren sollten ja etwa fürs Leben lernen.)

1886 bleibt er in Deutschland und veröffentlicht Artikel über die Pflanzendecke des Wendelsteins, die vom deutschen Alpenverein (den gab es damals schon) mit Enthusiasmus aufgenommen wurden.

Die wohl bedeutendste wissenschaftliche Arbeit Dinglers, die ihn (ich zitiere den Botaniker Moebius) „in der Geschichte der Botanik unvergessen macht“, ist die über die Flugeinrichtung der Früchte, Samen und Sporen.

Dinglers Buch „Bewegung der pflanzlichen Flugorgane“ erschien 1889 und wird heute noch von Botanikern und heute besonders von Aerodynamikern und Luftfahrtingenieuren gelesen.

 

Seine Forscher- und Reisedrang führte Dingler freilich immer wieder in die weite Welt hinaus:

1892 unternahm Dingler, nun nicht mehr als Militär- und Eisenbahnarzt, sondern als Forschungsreisender wieder eine 6 monatige ausgedehnte Expedition in den Orient.

Weitere Reisen führten ihn nach England, Norwegen und Nordrussland.

Im Jahre 1906 wird Dinlger auf einen Urwaldrest im Spessart aufmerksam.

Er vertritt die Auffassung, der sogenannte Metzgergraben mit seinen mächtigen mehrhundertjährigen Eichen muss in seiner wilden Unberührtheit für künftige Generationen erhalten werden.

In den Jahren 1906 bis 1908 tritt er mit mehreren Schriften und Vorträgen zu diesem Thema an die Öffentlichkeit und setzt sich für die Schaffung eines Reservates in den urwaldartigen Eichenbeständen des Spessarts ein.

Mit dieser Forderung nach angewandten Naturschutz und der Rettung der letzten verbliebenen Urwälder ist Dingler seiner Zeit weit voraus.

Noch zu seinen Lebzeiten wurde dieser Teil des Spessarts zum ersten Naturschutzgebiet Bayers erklärt und erfreut bis zum heutigen Tag die Besucher aus der ganzen Welt.

Danach begann er sich intensiver mit exotischen Pflanzen zu beschäftigten, dabei faszinierte Dingler in erster Linie die von ihm entdeckte Zwangsdrehung des Bambusspross und das Phänomen der fehlenden Laubfalls bei Bäumen in den Tropen.

Er ging der Hypothese nach, dass unsere Obstbäume im feuchtwarmen Tropenklima immer vegetativ weitertreiben, ohne Blüten und Früchte zu bilden.

Als Mangel empfand er freilich die Tatsache, dass er in Deutschland nicht ausreichendes Material zur morphologischen Untersuchung vorfand.

Es gab eben in Bayern zu wenig echten Bambus. Ein einziges verwertbares Bambusexemplar findet Dingler im Britischen Museum in London.

Also plant er 1909 eine Forschungsreise in den fernen Osten.

Er bereist Ceylon (das heutige Sri Lanka), das damals zum britischen Empire gehörte und dank Eisenbahnbau und Suezkanal ja schon praktisch vor der Tür lag.

Ceylon mit seiner unbeschreiblichen Fauna ist damals wie heute das Traumziel jedes Botanikers.

Aber Hermann Dingler hätte dort fast sein Grab gefunden.

In den Bambuswäldern im Hochland des Namunakula erkrankte Dingler an einer unbekannten Infektion, die er nur dank seiner urkräftigen Natur und Gesundheit überlebte.

Dennoch bringt er von dieser Expedition die Erkenntnis mit, dass die europäischen Obstbäume, (Birne, Apfel, Pfirsich, Pflaume und Sauerkirsche) im Gebirgsklima von Ceylon jährlich zweimal den vollen Kreislauf ihrer Entwicklung durchmachen, aber nur einmal blühen und Frucht tragen.

In den Folgejahren veröffentlicht er in der Schriftenreihe der bayerischen Akademie der Wissenschaften, Aufsätze die Periodizität einiger Holzgewächse in den Tropen, über die Periodizität sommergrüner Bäume Mitteleuropas im Gebirgsklima Ceylons und über Europäische Obstbäume im Gebirgsklima von Ceylon.

Seine gefährliche Expedition hat doch Früchte getragen im wahrsten Sinne des Wortes.

Als im Jahre 1910 die Forstwissenschaftliche Hochschule in Aschaffenburg geschlossen und an der Maximiliansuniversität als forstwirtschaftliche Fakultät neu eingerichtet wird, emeritierte Dingler.

Er wollte seine schöne Villa nicht verlassen.

Immerhin war er jetzt schon 68 Jahre alt.

Auch als Emeritus blieb er in der ihm lieb gewordenen Stadt Aschaffenburg.

 

Er gründete Naturschutzverbände, war Ehrenvorsitzender mehrerer naturwissenschaftlicher Vereine und baute die Sammlungen der forstwissenschaftlichen Hochschule, die nicht wie die Hochschule selbst nach München umgezogen waren, zu einem deutschlandweit berühmten Naturwissenschaftlichen Museum aus.

 

Im Park der kleinen Villa die Dingler 1900 in Aschaffenburg gekauft hatte, legt er einen wunderschönen Rosengarten an.

Und immer noch geht er auf Forschungsreisen:

1912 steht Sizilien auf seinem Programm und am 21. Juni 1914 bricht der Siebzigjährige zu einer Expedition in die Kaukasusregion auf.

Dort wird Hermann Dinlger vom ersten Weltkrieg überrascht.

Er fällt am 8. August in Artwin in der nördlichen Türkei russischen Truppen in die Hände und wird nach Batum in Georgien gebracht.

Dinglers Ruf als großer Botaniker ist jedoch mittlerweile so verbreitet, dass die Russen in ihm nicht den Oberstleutnant a.D. der türkischen Armee sehen, sondern den berühmten Wissenschaftler und ihn eher als Gast denn als Kriegsgefangenen behandeln.

Auf Anweisung von ganz oben bringt man ihn auf ein italienisches Schiff (Italien war erst 1915 in den ersten Weltkrieg eingetreten), das ihn nach Venedig beförderte und von dort konnte er sicher nach Deutschland zurückreisen.

Dieses Abenteuer ist uns in einer Originalschilderung Dinglers erhalten, da er darüber später einen spannenden Vortrag vor der Senckenbergischen Gesellschaft hielt.

Dingler konnte jetzt selbst seine Abenteuer zum Besten geben, er war ja nun Privatmann und sein mutmaßlicher Ghostwriter Karl May vor 2 Jahren verstorben.

Obwohl er sich aus dem Universitätsbetrieb zurückgezogen hat, bleibt Hermann Dingler als Forscher weiterhin sehr produktiv.

Und jetzt kommt neben dem rationalen Botaniker auch der Ästhet zur Geltung:

Die Pflanze der sein Spätwerk gilt ist die Rose, die Königin der Blumen.

Hier ist Hermann Dingler wieder ganz Zweibrücker.

In einer seiner Schriften kämpft er um den Erhalt der wilden Rosen.

Zitat: „In der ebenso schönen als interessanten Gattung Rosa, welche die Königin der Blumen unserer Gärten einschliesst, ist noch außerordentlich vieles unaufgehellt…Das Studium unserer einheimischen Rosen bedürfte jetzt umso mehr der Interessenten, als die rasch fortschreitende moderne Kultur unseres Landes einen grossen Teil der wilden Rosen in Bälde zu vernichten droht.“

Die letzten Lebensjahre verbringt Dingler mit seiner Frau ruhig und als geachteter und angesehener Bürger Aschaffenburgs.

Da er jetzt nicht mehr reist nimmt er wieder eine umfangreiche Korrespondenz mit befreundeten Wissenschaftlern auf.

 

 

Zeitgenossen schildern ihn als unterhaltenden Gesellschafter und brillanten Erzähler.

Er erlebte noch die Machtübernahme durch die Nazis.

Was ihn als liberalen Kosmopoliten besonders schmerzte.

Als die ersten Übergriffe des braunen Pöbels auch Aschaffenburg erreichten, soll er sich darüber so aufgeregt haben, dass er 1934 einen Schlaganfall erlitt.

Von diesem erholte er sich zwar wieder ziemlich gut. Aber sein Gedächtnis hatte doch merklich gelitten. Immerhin war er bereits fast 90 Jahre alt.

Im darauf folgenden Jahr ist er dann ruhig und sanft entschlafen.

In Aschaffenburg erinnert die Dinglerstrasse immer noch an sein Wirken in dieser Stadt.

Die Erinnerung bleibt an ein spannendes Leben dieses berühmten Zweibrückers,  das von der bürgerlichen Revolution über die Reichsgründung und den ersten Weltkrieg bis hin zur Machtergreifung durch die Nationalsozialisten reichte.

Dingler fand in Hanau seine letzte Ruhe, doch auf dem Altstadtfriedhof in Aschaffenburg erinnert noch ein Grabstein an ihn.

Hermann Dingler hatte Siebenpfeiffer und Wirth, die bayrischen Könige Ludwig I, Maximilian, Ludwig II, Kaiser Wilhelm I., Kaiser Friedrich, Kaiser Wilhelm II., Friedrich Ebert, Hindenburg und Hitler erlebt.

Wir haben in Zweibrücken eine Dinlgerstrasse.

Ohne Vornamen.

Wir können uns also aussuchen,  an welches der bedeutenden Mitglieder der Familie Dingler dadurch erinnert wird. Das gilt übrigens auch für die Dinglerstrassen in Augsburg, Essen, Aschaffenburg, Crailsheim, und weiteren Städten in Deutschland.

Lediglich nach dem Sohn von Hermann Dingler, Max Dingler ist in München eine Straße mit Vornamen benannt, die Max-Dingler-Strasse.

Denn Max Dingler war mit Sicherheit der bekannteste der Dinglerfamilie.

Aber das ist eine andere Geschichte.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.